Rauhnächte

Anhalten, innehalten, neu ausrichten


Es kann sein, dass Du Dich schon seit einiger Zeit damit beschäftigst, wie Du die Tage zum Jahreswechsel für Dich zur inneren Einkehr gestalten kannst, damit Du wirklich bereit bist für einen kraftvollen Start ins Neue Jahr.

 

Die Tage zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige, die sogenannten Rauhnächte, sind seit jeher eine Zeit der Stille und auch Verwandlung, in denen wir viel über uns selbst erfahren können. Diese Tage geben uns die Möglichkeit, dass wir den Boden für das Neue im kommenden Jahr bereiten und unsere Begeisterungsfähigkeit, Lebendigkeit und Lebensfreude stärken. Den Zauber der Rauhnächte entdecken wir dabei nicht mit dem Kopf, sondern erspüren ihn vielmehr mit dem Herzen.

 

Wann?

Als Rauhnächte wird die Zeit zwischen der Wintersonnenwende und dem 6.Januar bezeichnet, in den meisten Quellen wird die Zeit von Heiligabend bis zu den Heiligen Drei Königen genannt, ursprünglich war es wohl die Zeit zwischen 21.12 und 2.1, weil ihre wesentliche Bedeutung im Ausgleich zwischen Mond- und Sonnenkalender lag.

 

Wieso?

Der Mond braucht 29½ Tage von Neumond zu Neumond, ein Mondjahr, bestehend aus 12 Mond-monaten, entspricht somit 354 Tagen und endet am 20.12. Ein Sonnen-jahr, also die Zeit, die die Erde um die Sonne wandert, braucht hingegen 365 Tage.

Diese elf Tage und zwölf Nächte wurden früher als „Zeit außerhalb der Zeit“ und auch heute noch als die „Zeit zwischen den Jahren“ bezeichnet, sie kann als geschenkte Zeit betrachtet werden.

 

Und es ist an uns, sie zu einer Gabe an uns selbst zu machen.

 

Wieso „Rau(h)“-nächte?

Drei mögliche Ableitungen sind zu finden:

mdh. roūch = „Rauchen, Räuchern“; die Räume wurden mit Rauch gereinigt

mdh. rūch = „rau, grob streng, unwirtlich“, auch „wild“

ahd rūn (von Raunen) = „Geheimnis“

 

Das weibliche Prinzip im Fokus

In ganz Europa erzählen Volkssagen um diese Jahreszeit vom Hereinbrechen der Geisterwelt, etliche Bräuche dienten der Abwehr böser Geister und Dämonen.

 

Drei Elemente prägen diese Zeit besonders:

die Gestalt von Frau Holle/Frau Percht, das Wilde Heer und die Lärmumzüge, Vermummungen und Maskenläufe. Besonders spannend ist es, sich im Zusammenhang mit den Rauhnächten mit der göttinnenhaften Gestalt der Frau Holle/Frau Percht intensiver zu beschäftigen. Sie ist u.a. die Schutzgöttin der Frauen und Kinder und bestärkt den weiblichen, mütterlichen Kern der Rauhnächte, deren Besonderheit in der Dunkelheit liegt, die traditionell für das weibliche Prinzip steht. Vieles hat im Dunklem seinen Ursprung: Pflanzen keimen im Dunklen, Mensch und Tier entstehen in der Dunkelheit des Mutterleibs. Was in der Dunkelheit des Winters zu wachsen beginnt, zeigt sich im Frühjahr der Welt. Diese Zeit bietet uns auch die Gelegenheit in eine innere Haltung einzutauchen, deren höchste Werte Weisheit und Wachstum, Beziehung und Gemeinschaft sind. Wir können nachspüren, wie wir ein neues Gleichgewicht zwischen den männlichen und weiblichen Prinzipien in uns herstellen können: unser Bedürfnis nach individueller Selbstbestimmung und Entfaltung und dem Wunsch nach Harmonie und gemeinschaftlicher Verbindung.

 

Die Qualität der Zeit

Die Natur hat sich ganz und gar zurückgezogen, auch wir haben ein Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug. In den Rauhnächten können wir aus der linearen Zeitqualität Chronos heraustreten, die unseren Alltag bestimmt und der Zeitqualität Kairos Raum geben, wo es um den rechten Zeitpunkt und den günstigen Moment geht: wahrzunehmen, was gerade ansteht. Wir können jetzt in uns gehen, uns neu orientieren und dabei wieder zu uns selbst finden. Es ist Zeit in die Natur zu gehen, nach außen und innen zu lauschen. In diesen Tagen und Nächten erfahren wir, wie wir unser inneres Feuer nähren und unser Licht zum Leuchten bringen. Wir pflanzen im Schutz der zwölf Rauhnächte den Samen für das, was im nächsten Jahr Frucht tragen soll.

 

Rauhnächte konkret

Schon die Adventszeit kannst Du dazu nutzen, Altes abzuschließen, ausgeliehene Sachen zurück zu bringen, immer mal wieder Revue passieren lassen: welche Erfahrungen, welche Menschen waren von Bedeutung für Dich in diesem Jahr, welche Wendepunkte gab es, was war das Motto des altes Jahres. Es bietet sich auch an, Ordnung im Haus zu schaffen für eine ruhige Stimmung.

 

Tritt frühestens am 20. Dezember und spätestens am 24. Dezember nach Sonnenuntergang in diese besondere Zeit ein, am besten über eine selbst gelegte Schwelle, vielleicht auch mit einem Ritual.

Räuchern dient besonders vor und in der ersten Nacht zur Reinigung der Räume und Menschen und kann zur Beruhigung und Besinnung bei Deinen eigenen Ritualen genutzt werden. Beim meditieren lassen wir unseren Atem fließen und richten unser Bewusstsein auf einen bestimmten Punkt aus, dafür eignet sich das Grundthema des Tages oder was immer gerade Deinen Fokus braucht.

Bei einem täglichen Spaziergang, wo Du bewusst atmest, die Schritte verlangsamst, den Blick ruhen lässt und das Gedankenkarussell stoppst, kannst Du lauschen und wahrnehmen was ist.

Da den Träumen in den Rauhnächten eine besondere Bedeutung zugesprochen wird, bietet sich ein Traumtagebuch an oder erzähle Dir zugewandten Menschen von Deinen Träumen.

 

Lass Dir Zeit, werde langsam, verweile im Augenblick und spüre nach. An manchen Tagen nimmst Du Dir vielleicht abends und morgens nur 10 Minuten, um diese Zeit bewusst und in Ruhe wahr zu nehmen. An anderen Tagen wirst Du dich intensiver darauf einlassen.

 

Und beides ist völlig ausreichend, um Dein inneres Feuer zu nähren und Dein Licht zum Leuchten zu bringen!


Wer innehält - erhält inneren Halt -

und bleibt sich selbst erhalten.

Laotse